Paul-Gerhardt-Kirche - Das Lesepult

Auf der unteren Stufe zum Altarraum links vom Mittelgang steht das Lesepult. Von dieser Stelle aus werden im Gottesdienst die Bibeltexte gelesen. Jedem Sonntag und Feiertag im Kirchenjahr sind bestimmte Abschnitte aus der Bibel zugeordnet, die so genannten Perikopen. Dazu gehören ein Abschnitt aus dem Alten Testament, sowie aus dem Neuen Testament jeweils ein Abschnitt aus einem der Briefe, die Epistel, und ein Abschnitt aus einem der vier Evangelien; darüber hinaus noch verschiedene Predigttexte. Sie alle stehen im Lektionar, dem „Lesebuch“, nach der Ordnung des Kirchenjahres. Bei der ersten Lesung handelt es sich meistens um die Epistel, gelegentlich auch um die alttestamentliche Lesung. Danach singt die Gemeinde das Wochenlied, und es folgt die Evangeliumslesung. Einer dieser beiden Texte ist in der Regel die Grundlage für die Predigt. Die Gemeinde antwortet auf das Evangelium mit dem Glaubensbekenntnis, das sie gemeinsam spricht.

Einige alte Kirchen haben zwei Lesepulte: ein Epistelpult auf der rechten Seite und ein Evangelienpult auf der linken. Vom Lesepult begegnet uns das Wort Gottes in seiner ganzen Klarheit und Reinheit; deshalb bezeichnet man es in Analogie zum Altar, dem „Tisch des Heils“, auch als „Tisch des Wortes“.

Die Weitergabe des Wortes Gottes durch Jesus ist auf der Bronzetafel abgebildet, die unser Lesepult schmückt. Die Bronzeplatte am Lesepult wurde erst später gestiftet (1980) und analog zu den anderen Kunstwerken vom Hamburger Bildhauer Fritz Fleer (1921-1997) gestaltet. Es stellt eine Erzählung aus dem Johannes-Evangelien dar.

Jesus und die Samariterin (Johannes 4, 5 – 30) „Da kam Jesus in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde. Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen. Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. - Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser.

Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser? Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.

Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen! Jesus spricht zu ihr: Geh hin, ruf deinen Mann und komm wieder her! Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Du hast recht geantwortet: Ich habe keinen Mann. Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; das hast du recht gesagt. Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll. Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden. Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.

Spricht die Frau zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin's, der mit dir redet. Unterdessen kamen seine Jünger, und sie wunderten sich, dass er mit einer Frau redete; doch sagte niemand: Was fragst du? Oder: Was redest du mit ihr? Da ließ die Frau ihren Krug stehen und ging in die Stadt und spricht zu den Leuten: Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus sei! Da gingen sie aus der Stadt heraus und kamen zu ihm.“

Jesus spricht Menschen an, gegen alle Umgangsregeln und Konventionen begegnet er ihnen. Er lässt sich vom Wasser des Brunnens geben, um auf seine viel größere Gabe hinzuweisen: Das Wasser des Lebens, das aus seinem Wort quillt. Wer von diesem Wasser trinkt, dessen Durst wird gestillt. Und mehr noch: Er wird die Wahrheit erkennen, seine eigene innere, denn die Wahrheit führt zur Selbsterkenntnis. Wer sich selbst erkennt, der kann auch zur Erkenntnis Gottes gelangen, zur Quelle, aus der die Wahrheit kommt.

Diese Geschichte ist Offenbarung und Einladung zugleich. Jesus offenbart sich der Frau als der erwartete Messias, der alles verkündigt, nicht das vergängliche, sondern das ewig gültige Wort, das unseren Durst nach Wahrheit stillt. Und es ist eine Einladung an alle, wirklich alle – Glaubende und Suchende – zu ihm zu kommen, zu hören und Gott, den Vater, anzubeten, der uns in den Worten Jesu offenbart wird.

So werden auch wir eingeladen an den „Tisch des Wortes“, um es zu vernehmen und mit unserem Glauben darauf zu antworten. Wie am frischen Wasser des Brunnens dürfen wir uns am „Tisch des Wortes“ an seinem Wort laben, uns in unserer ganzen Existenz davon treffen lassen bis es uns ganz ausfüllt und erfüllt. Wie die samaritische Frau können wir dann hinausgehen und sagen: „Kommt und hört, was dieser euch zu sagen hat, und seht selber, ob er nicht der Christus, der Heilbringer für euer Leben ist!“

(© Text und Fotos: Anne Benz)