Im Jahr 1933 wurde für den Pfarrbezirk Nord-Winterhude der St. Matthäus-Gemeinde die Paul-Gerhardt-Kapelle in der Ohlsdorfer Straße 67 erbaut, in der regelmäßig Gottesdienste gefeiert wurden – ab 1947 als eigenständige Paul-Gerhardt-Gemeinde. Seit Errichtung der Paul-Gerhardt-Kirche dient sie als Gemeindehaus.
Im Herbst 1959 begannen dann die Erdarbeiten für die Kirche, denn zunächst mussten die Kleingärtner das Feld räumen und so manch fruchtbringender Baum und Strauch fiel dem Bagger zum Opfer.
Am 08. April 1960 wurde im Altarraum der Grundstein gelegt. Er enthält eine kurze Gemeindegeschichte, das Gemeindeblatt, das Programm der Feier, die Textstellen des Gottesdienstes und ein neues Testament. Die Einweihung der neuen Paul-Gerhardt-Kirche in Hamburg-Winterhude wurde dann am 11. Februar 1962 mit zwei Festgottesdiensten gefeiert.
Der Bau wurde von den Architekten Herrmann Schöne und Günter Schudnagies ausgeführt. Aufgrund der Lage des Grundstücks ist der Altar nicht, wie bei Kirchen zumeist üblich, nach Osten ausgerichtet, sondern nach NNO. Das ermöglichte einen Zwischenbau – in dem die Sakristei und das Café Paul untergebracht sind – mit Durchgang zum Gemeindehaus (ehem. Paul-Gerhardt-Kapelle).
Die tragenden Betonteile des Kirchendaches wurden aus einem Stück gegossen, und bilden sozusagen die Spanten eines Schiffes, das kieloben liegt.
Die Zwischenräume der Nordwestseite und die Altarwand mauerte man mit handgestrichenen holländischen Ziegeln aus. Damit nahm der Bau ein Stilelement der umliegenden Gebäude des Stadtteils auf. Das Kirchenschiff wird von der Ostseite durch leicht grau getönte Bleiglasfenster erhellt, die sich bei morgendlicher Sonne auf den Pfeilern fortzusetzen scheinen.
Durch die Führung der Außenwände ist der Blick im Inneren auf den Altarraum und die Altarwand gerichtet. Die Wände mit den hervortretenden Pfeilern, die leicht abfallende Decke, die im Altarraum wieder ansteigt, die etwas schräg gestellten Bänke, und die Lampenreihen – die gesamte Perspektive strebt auf den Altar zu lenkt den Blick auf das Kruzifix: Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, zieht die Aufmerksamkeit des Eintretenden auf sich. Er ist der Herr und Mittelpunkt seiner Gemeinde. Zu seinen Füßen liegt der Grundstein der Kirche, er selbst ist der Grundstein der Gemeinde, auf den wir bauen und vertrauen können.
Im Altarraum fällt das Licht von Westen ein und lässt abends seine kräftigen Farben auf der Altarwand spielen. Bei Dunkelheit taucht der Raum durch die zahlreichen, in vier Reihen herabhängenden halbkugelförmigen Kupferlampen in ein gleichmäßges Licht, ergänzt durch eine weitere Lampe an jedem Pfeiler. Besonders angestrahlt wird der Altar. Als die Kirche am 11. Februar 1962 geweiht wurde, bezeichnete Bischof Witte sie scherzhaft als „größtes Lampengeschäft mit der geringsten Auswahl“.
Das Kirchengestühl aus Stahl und Holz, das in zwei Blöcken mit einem Mittelgang aufgestellt ist, dürfte auf Entwürfe der Architekten zurückgehen und greift das Gestaltungselement des Altarraums auf; es lässt damit die verschiedenen räumlichen Elemente zu einer schlichten und Ruhe ausstrahlenden Gesamtheit verschmelzen. Es bietet 400 Personen Platz. Die geräumige Empore mit der Orgel und Raum für den Chor ist Wirkungsstätte der Kirchenmusik.
Das auf Pfeilern ruhende Dach ist in Stahlbeton gegossen und enthält die Elektroleitungen, zur Isolierung wurde es mit Kies als Wärmedämmung geschüttet und mit Ruboidbelag abgedichtet. Geheizt wird das Kirchenschiff mit einer Warmwasserheizung im Fußboden, der mit fränkischem Marmor abgedeckt ist. Die Heizkörper entlang den Seitenwänden erwärmen die Luft im Kirchenraum. Seit 1981 ist die Anlage der Fernwärme angeschlossen.
Der Turm ruht auf einem breiten Fundament, das bis unter den 1963 bis 1965 erbauten Kindergarten reicht, und ist mit dem Kirchenvorraum durch einen Flachbau verbunden. Er ist 33 Meter hoch und besteht aus zwei Stahlbetonträgern, die durch eine Treppe verbunden sind. Auch sie sind mit denselben Ziegeln verkleidet. Die Zwischenwände wurden mit Glasbausteinen ausgefüllt, die leider den Witterungseinflüssen und den Schwingungen des Glockengeläuts nicht standhielten. Deshalb wurden 1974 zwischen den Trägern Stahlbetonscheiben eingesetzt und mit Kupferblech verkleidet. Gekrönt wird der Turm von einem rundum sichtbaren Kreuz. Das Uhrwerk wurde nach damaligem Brauch vom Hamburger Senat gestiftet, inzwischen jedoch durch eine funkgesteuerte Uhr ersetzt. Die fünf Glocken sind aus Stahlguss vom „Bochumer Verein“ und zählen zu den schönsten Geläuten dieser Art.
Zum 400. Geburtstag von Paul Gerhardt im März 2007 wurde das zum Verwaltungs- und Seminargebäude umgebaute “Jugendheim” nach seiner Frau in “Anna-Maria-Gerhardt-Haus” umbenannt.
(© Text nach Gemeindechroniken und Fotos: Anne Benz und Martin Hübner)