Zu Erntedank, am 5. Oktober war Antje Holst Stimme in der St. Martinus-Kirche noch zu hören. Sie stand am Pult, sehr schmal schon, aber sehr aufrecht und las Verse aus dem 12. Kapitel des 1. Korintherbriefes. Paulus war gewiss nicht ihr biblischer Lieblingsautor, aber sie tat es für Pastor Veit Buttler, der an diesem Tag im Gottesdienst verabschiedet wurde. Ich glaube aber auch, sie tat es für sich selbst, um zu spüren, dass sie immer noch da und wirksam war.
An Erntedank vier Jahre zuvor, am 3. Oktober 2021, erhielt sie hier an diesem Pult die Bugenhagenmedaille, die höchste Auszeichnung der Nordkirche, von Bischöfin Fehrs als 77jährige. Sie erhielt sie für jahrzehntelanges Engagement für Frieden und Gerechtigkeit und in der Ökumenebewegung. Damals sagte die Bischöfin über sie: „Menschen wie Antje Holst bereichern unsere Kirche —vielfältig engagiert, unbeirrt friedenssehnsüchtig, pragmatisch und nah am Gegenüber. Antje Holst hat mit tiefer innerer Überzeugung ihre ganze Kraft dafür eingesetzt, konfessionelle und religiöse Grenzen zu überwinden und zu beweisen: Es geht um die gemeinsame Mitte. Um die Gemeinschaft, die sich geschwisterlich trägt und heilsam ist für all die Entrechteten und Gehandicapten.“ Die St. Martinus-Kirche ist aus vielen Gründen ein guter Ort von ihr zu erzählen; von den unzähligen Gottesdiensten und Andachten, die sie hier mit Anderen zusammen gestaltet und geleitet hat, etwa das Feierabendmahl an Gründonnerstag, das Basislager für die Kongopartnerschaft, der Ort, wo ihr Eine-Welt-Stand nach jedem Gottesdienst offen war. Aktiv war sie im Vorstand des Ökumenezentrums der Nordkirche, in der Partnerschaftsbewegung und vor allem in der Partnerschaftsarbeit mit der Diözese Süd-Kivu in Bukavu in der DR Kongo, die sie gemeinsam mit einem Team aufbaute und durch jährliche Besuche pflegte.
Der Gemeindealltag lag ihr ebenso am Herzen. Als Koordinatorin für den Küsterdienst sorgte sie auch auf diese Weise für den Gottesdienst, wirkte bei der Gestaltung von Gemeindefesten mit und brachte sich als Ökumenebeauftragte in den Arbeit des Kirchengemeinderates ein. Als Chorsängerin wirkte sie im Alsterbund-Oratorienchor mit.
Eine Krebserkrankung im Jahr 2018 konnte sie nicht daran hindern, ihr vielfältiges Engagement fortzusetzen. Während der Pandemie nutzte sie die neuen digitalen Möglichkeiten in Zoom-Konferenzen, um ihre Projekte auch in schwierigen Zeiten weiter zu verfolgen. Erst in den letzten Wochen ihres Lebens waren ihre Kräfte erschöpft. Liebevoll und eng begleitet von ihrer Familie und Freunden, verbrachte sie ihre letzten Tage im Israeltischen Krankenhaus. Am 5. November verstarb sie dort. Sie wird uns allen sehr fehlen.
Pastor Ulrich Thomas